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Gedanken im Januar von Meinhard Miegel

Er sagt was er denkt und tut was er sagt

Donald Trump

Eines muss man dem neuen amerikanischen Präsidenten lassen. Er sagt was er denkt und tut was er sagt. Das ist unter Politikern nicht gerade häufig. Aber wohl nicht zuletzt deshalb haben ihn 62 Millionen Wählerinnen und Wähler ins Weiße Haus getragen und bewundern ihn viele weitere Millionen in aller Welt.

Was aber denkt dieser Mann? Da er das unverblümt sagt, gibt es nichts zu rätseln: Ich, ich, ich, wobei er sich umstandslos mit der ganzen Nation gleichsetzt. Hieß es bis zu seiner Wahl Trump zuerst, so heißt es seitdem Amerika zuerst und zwar nur Amerika. Amerika soll stark, wohlhabend, stolz und sicher sein – vor allem aber soll es gewinnen Amerika soll stark, wohlhabend, stolz und sicher sein. Vor allem aber soll es gewinnen, gewinnen, gewinnen. Seine Interessen sollen stets vorangestellt werden. Nützt es Amerika dann zum Teufel mit freiem Handel, der Einhegung von Finanzzockern, dem Schutz von Umwelt und Klima und vielem anderen mehr. Dann werden Grenzbefestigungen errichtet und soziale Sicherungssysteme geschleift.

Auch wenn durchaus fraglich ist, ob das alles dem Land tatsächlich nutzt – entscheidend ist etwas anderes. In Amerika wird ohne Scham und Scheu ein Denken zelebriert, das bislang bemäntelt worden ist: krassester Egoismus Hier wird ohne Scham und Scheu ein Denken zelebriert, das bislang – so gut es ging – bemäntelt worden ist. Krassesten Egoismus so plakativ vor sich herzutragen verstieß gegen die gesellschaftliche Konvention, auch wenn dieser seit langem die westliche Kultur – und nicht nur diese – durchdringt und zersetzt. Was mir nützt ist unbesehen gut. Belange anderer zählen nicht. Worum es geht sind profitable Deals. Wer dabei verliert ist selber schuld. In dieser Welt sind Stiftungen für Geisteswissenschaften oder Künste Fremdköffnerper. Also weg damit!

Von schonlichem Umgang, von Achtsamkeit mit Mitmenschen und Natur, Wissenschaft und Künsten oder ethischen und religiöffnesen Normen ist hier weit und breit keine Spur mehr. Vielleicht wird man Donald Trump eines Tages dankbar sein müssen — vielleicht bedarf es dieses Schocks Vielleicht wird man Donald Trump eines Tages dankbar sein müssen, dass er das mit diesem Zynismus und dieser Brutalität jetzt deutlich macht. Vielleicht bedarf es dieses Schocks. Denn die westliche Kultur leidet seit langem unter der Auszehrung ihrer Substanz. Donald Trump hat dies auf beklemmende Weise bewusst gemacht.