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Gedanken im Juni

Wettbewerb

Amerika first. Italien, Ungarn, Polen first. Und was Staaten recht ist, ist Verbänden, Unternehmen und selbst Einzelpersonen billig. Alle wollen, dass ihre Interessen Vorrang genießen, sie an der Spitze stehen, Sieger sind. Der Weg dorthin? Wettbewerb.

Er beginnt in der Kita, setzt sich in der Schule und im Erwerbsleben fort und endet selbst im Alter nicht. Das ganze Leben ist durchdrungen von Wettbewerb. Spätestens seit Anbruch des Kapitalismus Wettbewerb ist das gesellschaftliche Leitbild ist er das gesellschaftliche Leitbild. Gesellschaften, die auf sich halten, sind Wettbewerbsgesellschaften. Diese Gesellschaften haben es weit gebracht. Zumindest sind sie erfolgreicher und in der Regel materiell wohlhabender als andere. Ein Hoch auf den Wettbewerb!

Wettbewerb macht auch Spaß. Das beweisen die zahlreichen Fans, die regelmäßig ihre Matadoren anspornen und ihnen gegebenenfalls zujubeln. Doch da scheint bereits das hässliche Gesicht des Wettbewerbs auf. Denn wo es Gewinner gibt, gibt es Verlierer. Den Siegern stehen Besiegte gegenüber. Wie gehen einzelne, Gruppen oder Völker hiermit um?

Die Beantwortung dieser Frage rührt an den Kern von Kultur.Der Preis: Gewinner und Verlierer Als Kain im Wettstreit um Gottes Gunst seinem Bruder Abel unterliegt, erschlägt er ihn. Ein probates Mittel war das nicht, auch wenn es in der Folgezeit immer wieder praktiziert wurde. Die Menschen mussten nach besseren Wegen suchen.

Dabei erwiesen sie sich als bemerkenswert kreativ. Der Sieger wurde zu Großmut angehalten, die Niederlage verbrämt. Zählte bei den olympischen Spielen der Antike ausschließlich der Sieger (der Verlierer hatte sich ganz ähnlich wie im Tierreich zu trollen), so heißt es heute begütigend, wenn auch nicht sehr glaubwürdig: „Dabei sein ist alles.“

Doch damit ist das Problem nicht aus der Welt. Vielmehr stellt es sich tagtäglich aufs Neue und nirgendwo stellt es sich schärfer als in den heutigen Wettbewerbsgesellschaften. Ist ein gedeihliches Zusammenleben überhaupt möglich? Wie ist hier ein gedeihliches Zusammenleben von Gewinnern und Verlierern, von Siegern und Besiegten möglich? Ist es überhaupt möglich?

Der Blick in die Geschichte stimmt wenig hoffnungsfroh. Auf Dauer hat es nie funktioniert. Weder waren die Gewinner bescheiden und demütig genug, noch hatten die Verlierer die nötige Langmut. Fast ohne Ausnahme endeten Staaten und Zivilisationen in diesem Konflikt: Die Verlierer begehrten gegen die Gewinner auf und diese erwiesen sich nicht selten als unterlegen.

Das sollte zu denken geben. Denn die heutigen Wettbewerbsgesellschaften sind in ihrem ständigen Ringen um Vorherrschaft gerade dabei, sich buchstäblich zu zerlegen. So segensreich Wettbewerb sein kann und oft auch ist. Er kann auch ein verzehrendes Feuer sein.

Auch der Wettbewerb bedarf deshalb - wie alles Menschenwerk – kluger Beschränkung. Stets der Erste sein zu wollen ist nicht nur im Leben des einzelnen ein fragwürdiges Ziel. Wettbewerb bedarf der Beschränkung Im Leben von Gemeinschaften und Völkern kann seine Verfolgung zerstörerisch wirken. Die Einbettung in Gemeinschaft, das Sozialverträgliche ist nicht nur ebenso wichtig wie Wettbewerb. Es ist überlebenswichtig.