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Gedanken im Oktober

Events, my boy!

Events, my boy, events. Das war die Antwort des einstigen britischen Premierministers Macmillan auf die Frage eines Parlamentsnovizen, was das Schwierigste an der Politik sei. Ereignisse.

Diese Antwort mag spontan einleuchtend sein. Richtig ist sie deshalb noch nicht. Denn alles in allem geht die Politik recht bravourös mit Ereignissen wie Naturkatastrophen, Währungskrisen oder Börsencrashs um. Und selbst bei Monsterereignissen wie Kriegen hält sie das Ruder mitunter erstaunlich lange fest in der Hand. Als erstaunlich hilflos erweist sie sich hingegen in ganz anderen Situationen.

Während bei „Ereignissen“ schnell die Alarmglocken schrillen und alle Kräfte mobilisiert werden, bleibt es in jenen anderen Situationen nicht nur anfangs sondern oft bis zum bitteren Ende weitgehend ruhig. Gefahr schleichender Prozesse Die Rede ist von den schleichenden, kaum spürbaren Prozessen, die ganze Gesellschaften und mitunter Kulturen und Zivilisationen zum Einsturz bringen können.

Da ersetzt sich eine Bevölkerung seit einem halben Jahrhundert ohne wirkliche Aussicht auf eine Trendwende nur noch zu zwei Dritteln in der Zahl ihrer Kinder. Und was tut sie, was tut die Politik? Stellt sie sich zielstrebig und mit allen Konsequenzen darauf ein, dass sie eher früher als später unter Arbeitskräftemangel leiden, einen zügig wachsenden Altenanteil zu versorgen und zugleich immer mehr Menschen aus ferne Kulturen zu integrieren haben wird?

Gewiss wird hierüber hin und wieder geredet. Aber der an sich gebotene Aufschrei und die emotionale Erschütterung, die hiermit einhergehen müsste, bleiben aus. Das ist etwas für Handwerksbetriebe, caritative Einrichtungen und Nachbarschaftshilfen. Demographische Auszehrung Wie naiv und dümmlich über das Drama der Bevölkerungsentwicklung in Deutschland und Europa einerseits und – gegenläufig - weltweit andererseits geredet wird, ist schwer erträglich. Aber die Politik kann sich nicht aufraffen, das Notwendige zu tun. Das ist ihr zu schwierig. Dann lieber Ereignisse!

Oder dass wir uns in den entwickelten Industrieländern längst außerhalb der ökologischen Tragfähigkeitsgrenzen der Erde bewegen und uns mit jedem Wachstumsprozent weiter von diesen Grenzen entfernen. Ökologischer Zusammenbruch Jeder, der es wissen will, weiß, dass wir so wie in den zurückliegenden Jahrzehnten unmöglich weiter konsumieren und produzieren können. Doch Aufschrei und Erschütterung bleiben abermals aus. Sollen sich doch die paar Ökofreaks damit befassen. Wer kann, bestellt erst einmal seinen nächsten SUV.

Nein, es sind nicht Ereignisse, die zu bewältigen der Politik besonders schwer fielen. Es ist die Sicherung der gesellschaftlichen Existenzgrundlagen, die ihre Fähigkeiten zu übersteigen scheinen. Aber vielleicht ist es ja auch so, dass die Politik vor lauter Ereignissen nicht mehr dazu kommt, sich ihren eigentlichen Aufgaben zu widmen. Diese Aufgaben mögen weniger spektakulär und effektvoll sein als so manches Ereignis. Aber Ereignisse kommen und gehen. Von ihnen gibt es fast täglich ein neues. Die Sicherung der Existenzgrundlagen – materiellen wie immateriellen – ist hingegen überlebenswichtig.