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Gedanken im April

Leere Feste

Alles wie gehabt: Ostereier, Osterhasen (vorzugsweise aus Schokolade), Osterschinken (abhängig von der Region), Osterspaziergänge (oder besser noch Osterreisen an mehr oder minder ferne Gestade) und anderes mehr, was sich hübsch an Ostern schmiegt. Und wie gehabt fehlte auch diesmal für die meisten das, was dereinst als geistiger Gehalt, als Spiritualität eines solchen Fests bezeichnet worden ist.

Feste als Brauchtumspflege Nun sind ganz sicher eine gewisse Brauchtumspflege und das Setzen von Zäsuren im Jahresverlauf ein Wert, der nicht gering erachtet werden sollte. Aber genügt das, um eine Gesellschaft auf Dauer auf einem kulturell und zivilisatorisch gehobenen Niveau zu halten? Oder verliert eine solche auf Brauchtumspflege beschränkte Gesellschaft nicht früher oder später ihre geistige Substanz?

Feste zu feiern – das bedeutete kulturgeschichtlich immer auch inne zu halten und sich singulär menschlicher Fähigkeiten und Bedürfnisse jenseits von Nahrung und Obdach bewusst zu werden. Feste zu feiern heißt innehalten Bei Festen ging es ganz wesentlich um Anfang und Ende, Werden und Vergehen, Schuld und Vergebung, Erfolg und Scheitern, kurz, es ging um Dimensionen, die nur der Mensch durchmessen kann.

Das gilt nicht nur für den christlichen Jahreskreis. Vielmehr finden sich die spirituellen Kerne, die eigentlichen Anliegen von Weihnachten, Ostern, Pfingsten und zahlreicher anderer christlicher Feste in der einen oder anderen Form in allen Religionen wieder. Sie alle wollen über das Hier und Heute hinausweisen und nicht zuletzt dadurch dem Menschen einen Rang geben, den er als bloßer Produzent und Konsument materieller Güter nie erlangen kann.

Genau hierauf reduziert ihn jedoch die heutige Festtagspraxis der westlichen Welt. Der Mensch soll genießen, möglichst viel essen und trinken, Geschenke empfangen und verteilen und seinem Mobilitätsdrang ungehemmt frönen. Mehr wird von ihm nicht erwartet und zu mehr sind die meisten wahrscheinlich auch gar nicht mehr in der Lage. Konsumfestivals statt Feste Denn sie sind die Geschöpfe einer Kultur, die überaus erfolgreich Feste durch Konsumfestivals ersetzt hat.

Welche Folgen dies hat, ist schon jetzt erkennbar. Unsere Kultur verarmt, woran auch prachtvolle Museumsbauten, spektakuläre Ausstellungen und großartige Konzerte wenig ändern. So wertvoll das alles ist, es ist kein Ersatz für das Streben einer Gesellschaft, sich aus allzu großer Erdennähe zu erheben und über sich selbst hinauszuwachsen. Feste, zumindest jene, die als Zäsuren im Leben einer Gesellschaft gedacht waren, waren die Zielmarken solchen Strebens.

Sie sind dies nicht länger. Wer in ihnen noch geistigen Gehalt sucht, sucht weithin vergebens. Die Welt, sie ist nicht so. Vom Zauber, den man einst in ihr zu spüren meinte, ist nicht viel geblieben. Das, was heute als Fest bezeichnet Richtige Feste zu feiern, erfordern große Anstrengungen und in der Regel durch die Befreiung von Erwerbsarbeit aus dem täglichen Einerlei herausgehoben wird, spiegelt die Leere wider. Wieder richtige, geistig gehaltvolle Feste zu feiern, bedarf großer individueller und kollektiver Anstrengungen. Doch ohne diese Anstrengungen wird die Entleerung unserer Kultur weiter voranschreiten.